Chronik

Der Schützenverein Lütgeneder, der auf eine alte Tradition zurückblicken kann, findet seine erste urkundliche Erwähnung im Katasteramt zu Warburg. In dieser Urkunde wird nachgewiesen, dass die damalige Schützengesellschaft Lütkeneder im Jahre 1821 drei Parzellen Weide gekauft hat. Die 1. Parzelle mit zwei Morgen dreiundneunzig Ruthen fünfunddreißig Fuß, die 2. mit 144 Ruthen dreizehn Fuß und die 3. mit drei Morgen siebenundfünfzig Ruthen achtundvierzig Fuß für den Betrag von 19 Reichsthalern, 30 Groschen und 10 Pfennig.

Das wirkliche Alter des Schützenvereins Lütgeneder beträgt aber wahrscheinlich mehr als 400 Jahre, wie aus den Aufzeichnungen unseres noch allen bekannten Schützenbruders und Heimatpflegers Anton Herbold hervorgeht. Dieses entnahm er aus der Gemeindechronik, die leider in den letzten Kriegstagen bei der Zerstörung des Hauses des damaligen Bürgermeisters Anton Nolte vernichtet wurde.

Auch unsere Schützengesellschaft ist wie alle anderen Schützengesellschaften in der hiesigen Gegend in ihrem letzten Ursprung entstanden aus einer Not, aus Notwendigkeit die Dorfgemeinschaft gegen äußere Feinde zu schützen und zu verteidigen. Ausgewählt zu den Schützen wurde nur einen bestimmte Anzahl von Bürgern. Voraussetzung für eine Aufnahme waren körperliche Tüchtigkeit, untadeliger Ruf und Lebenswandel.

Schützen sein hieß: ein anständiger Mensch sein. Schützen sein war eine Ehre. Die Schützen bildeten eine Kerntruppe zur militärischen Verteidigung ihrer Heimat und waren gleichzeitig vielseitige Diener ihrer Gemeinde. Sie wurden zum Beispiel zur Brandbekämpfung herangezogen. Ferner übten sie auch Polizei- und Wachdienste aus. In unruhigen Zeiten hatten sie sogar Kaufleute, Reisende und Hohe Herren zu begleiten. Für diese geleisteten Dienste erhielten die Schützen von der Gemeinde Nutznießung von Weide und Ackerland.

Als im 7-jährigen Krieg und in den napoleonischen  Kriegen die Gemeinde Vieh und Naturalien abzuliefern hatte, mussten die Schützen diese Züge, die nach Warburg, Paderborn und Münster, ja einmal sogar nach Hannover gingen, begleiten. Im Jahr 1780 wurden Lütgenederer Schützen bei einem Borgentreicher Schnadezug genannt.

Die bestehenden Schützengesellschaften wurden im Jahre 1807 in dem durch Napoleon neu gegründeten Königreich Westfalen wegen ihrer angeblichen Staatsfeindlichkeit verboten. Schon 10 Jahre später wurden diese Schützenvereine auf Wunsch der hochwohllöblichen Regierung wiedergegründet. Das auch in dieser Zeit der Schützenverein Lütgeneder wiedergegründet wurde, beweißt auch der oben erwähnte Landkauf aus dem Jahre 1821. Dieser Besitz ist dann in den Wirren der Separationszeit verloren gegangen.

In den folgenden Jahrzehnten verloren die Schützengemeinschaften mehr und mehr an Bedeutung. Es bildeten sich daraus im Laufe der Jahre Jünglingsgemeinschaften, die dann sogar aus der alten Schützenfahne das Schützenabzeichen entfernten und durch ein Heiligenbild ersetzten. Diese Fahne wurde dann als Sodalenfahne getragen.

In der Folgezeit belebten ältere Schützen den Brauchtum durch Veranstaltung gemeinsamer Feste, bei denen ganz besonders Gemütlichkeit und Frohsinn gefördert wurde. Bei einem dieser Feste wird als erster Fähnrich Josef Becker erwähnt. Der damalige Oberst war Eduard Peine, Josef Derenthal war Adjudant. Der Verein hatte damals 28 Mitglieder die je 4 Mark zu zahlen hatten. Aus dem Jahre 1890 ist zum ersten Male der Name des Schützenkönigs bekannt. Es war Josef Krahn. 1895 war Johannes Krull König. Vom Jahr 1898 ab, als Josef Beine Oberst und Ignatz Derenthal Adjudant waren, enden die Eintragungen.

Nach mündlicher Überlieferung wollt angeblich auf dem Schützenfest im Jahre 1900 ein Bürger von Borgentreich die Schützenfahne stehlen. Bei dem anschließenden Handgemenge wurde dieser so schwer verletzt, das er starb. Aus diesem Grunde wurde dem Schützenverein Lütgeneder bis zum Jahre 1906 die Veranstaltung eines Schützenfestes verboten. Vom diesem Zeitpunkt ab konnte das beliebte Schützenfest wieder gefeiert werden. Die Feste wurden in einem Festzelt gefeiert, das im Siek errichtet wurde.

Eine solche Veranstaltung war immer mit großen Kosten verbunden. Der Kassenbericht aus dem Jahre 1884 zeigt auf:         

  • Musik 100,- Mark                                                        
  • Zelt 75,- Mark
  • Zelt holen und wegbringen 24,- Mark
  • Getränke für Musik 11,35 Mark
  • Fahne und Karten 8,35 Mark

Gesamtausgaben:                             218,65 Mark

Einnahmen                                        219,60 Mark

Überschuss                                           0,95 Mark

Am 9. Juni des Jahres 1912 konnte das erste Fest in der neuerbauten Gemeindehalle gefeiert werden. Die alljährlich wiederkehrende Festfolge wurde durch den Ausbruch des ersten Weltkrieges von 1914 bis 1920 unterbrochen.

Am 9. Januar 1921 wurde dann der jetzige Schützenverein wieder ins Leben gerufen.

Aus dieser Versammlung ist zum ersten Mal die Namensliste des gesamten Schützenvorstandes bekannt. Da durch diesen, die heutigen Statuten ausgearbeitet wurden, soll er hier aufgeführt werden. 

1. Vorsitzender: Heinrich Wieners
2. Vorsitzender: Dr. Franz Bode
1. Schriftführer: Franz Nolte
Stellv. Schriftführer: Josef Vössing
1. Kassierer: Karl Stickeln
Stellv. Kassierer: Josef Vössing
Oberst: August Wennekamp
Adjudant: Johann Menne
Hauptmann: Josef Rose
Feldwebel: Josef Nolte
Fähnrich: Ignatz Wille
Fahnenoffizier: Heinrich Bode
Fahnenoffizier: August Söthe
Tambour: Ferdinand Reddemann

Schützenkönig in diesem Jahr war Alois Menne.

Auf Grund der Inflationszeit ist die Kostenaufstellung des Schützenfestes aus dem Jahre 1922 interessant.

  • Die Schänke kostete 4700,- Reichsmark
  • Die Musik 4500,- Reichsmark
  • Ein Liter Bier    15,- Reichsmark
  • Eine Flasche Steinhäger 110,- Reichsmark

Der Königsschuss wurde mit 300,- Reichsmark bezahlt und für die Abschreibung der Statuten musst der Verein ein Pfund Butter geben, welches mit 18,- Reichsmark zu Buche stand. Nach der Inflation erhielt der Schützenkönig 30,- R-Mark bzw. 50.- R-Mark.

Da sich die allgemeine finanzielle Lage besserte, konnten im Laufe der Zeit Schützenmützen für den Festzug angeschafft werden. Der Schützenverein konnte es sich sogar erlauben, 4 Karabiner für einen Betrag von 215,- R-Mark zu erwerben.

Bei der Vorstandswahl im Jahre 1932 wurde der langjährige Vorsitzende Heinrich Wieners durch Ferdinand Reddemann abgelöst, Schriftführer wurde Anton Nolte und Kassierer Hubert Göke. Im Jahre 1933 wurde eine neue Fahne gekauft, die auf dem Schützenfest durch den damaligen Pfarrer Ising geweiht wurde. Diese wurde auf Beschluss der Versammlung in den folgenden Jahren auch bei kirchlichen Veranstaltungen getragen.

Im Vorstand ergab sich 1934 eine Änderung. Zum Schriftführer wurde Josef Bode und zum Kassierer Anton Schonheim gewählt.

Um einer Auflösung durch die Nationalsozialistische Partei zu entgehen, schloss der Verein sich im Jahre 1937 dem Heimatschutzbund an. Das erste Fest unter dem Namen Heimatschutzbund konnte dann im folgenden Jahr wegen der überall herrschenden Maul- und Klauenseuche nicht stattfinden. Die Wirren des zweiten Weltkrieges vereitelten dann eine weitere Festfolge bis 1949. In diesem Jahr wurde der alte Vorstand neu bestätigt und das Feiern des ersten Schützenfestes nach dem Krieg beschlossen.

Da die Karabiner nach dem Zusammenbruch von den Amerikanern eingezogen waren und zudem das Schießen mit Feuerwaffen untersagt war, musste der König durch Schießen mit der Armbrust ermittelt werden. Anfang der 50iger Jahre wurde die von der Besatzung entwendete Königskette durch eine neue ersetzt. Die Initiative jugendlicher Schützenmitglieder ermöglichte es dem Verein im Jahre 1953 eine neue Fahne anzuschaffen, die der von der Besatzungsmacht entwendeten Fahne nachgebildet wurde.

Unter der Leitung des 1955 neu gewählten Vorstandes von Ferdinand Reddemann (Vorsitzender), Karl Hillebrand (Schriftführer) und Josef Stickeln (Kassierer) nahmen zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte auch die Hofdamen am Festzug teil. Diese überall mit Wohlgefallen aufgenommene Beteiligung der Hofdamen führte dem Verein zu dem Entschluss, von nun an auch die Königin mit ihrem Gefolge am Schützenzug teilnehmen zu lassen. Der Schützenkönig Franz Müller hatte damit zum ersten Mal die Ehre, sich zur Königin Angela Breker zu wählen.

Im Jahre 1958 legte der bisherige Vorsitzende Ferdinand Reddemann sein Amt nieder. Er hatte dieses Amt 25 Jahre inne und wurde auf Grund dessen zum Ehrenvorsitzenden ernannt. Gleichzeitig wurde auch Heinrich Bode, der 25 Jahre Oberst war, zu Ehrenoberst ernannt. Der Hauptmann Josef Nolte (Nr. 33) wurde für 34.jährige ehrenamtliche Tätigkeit zum Ehrenhauptmann ernannt, und Alois Krahn, der 34 Jahre Feldwebel gewesen war, wurde zum Hauptmann befördert. An die Stelle des bisherigen Vorsitzenden trat Anton Schonheim. Zum Schriftführer wählte die Versammlung Alfons Reddemann. Unter dem Vorsitz von Anton Schonheim wurden auf Beschluss der Versammlung alle Mitglieder, die 70 Jahre alt waren und dem Verein 50 Jahre angehörten, mit dem Erinnerungskreuz ausgezeichnet.

Im Jahre 1964 wählte die Versammlung einen neuen Vorstand. 1. Vorsitzender wurde Alfons Reddemann, Schriftführer Josef König und Kassierer Josef Stickeln. Der langjährige Oberst Franz Nolte wurde zum Ehrenoberst ernannt und seine Nachfolge trat Paul Bode an. Dem Hauptmann Alois Krahn wurde für 40.jährige Tätigkeit im Offizierscorps der Majorstitel verliehen.

Im Jahr 1968 legte der Schriftführer Josef König aus gesundheitlichen gründen sein Amt nieder, er wurde durch Heiko Penning ersetzt.

Das Jahr 1971 stand ganz im Zeichen der 150.jährigen Jubelfeier des Vereins. Das Fest begann am Samstag mit der Begrüßung der sehr zahlreich erschienenen ehemaligen Lütgenederer Bürger. Danach dankte der stellvertretende Bürgermeister Johannes König den Schützen für die tatkräftige, selbstlose Mithilfe beim Hallenerweiterungs- und umbau. Die Festansprache am Sonntag wurde vorgetragen von Dechant Heinrich Ernst, Olsberg gebürtig in Lütgeneder und Professor Schmitz vom Westfälischen Heimatbund. An dem Festumzug beteiligten sich die Schützenvereine aus Borgentreich, Rösebeck, Körbecke, Großeneder, Dössel, Daseburg und Bühne. Die zum Jubelfest erstellte Festschrift mit einer Chronik der Ortsgeschichte und einer Schützenvereinschronik fand bei den Gästen großes Interesse und war schnell verkauft.

Nach 16 jähriger Vorstandstätigkeit als Kassierer dankte Josef Stickeln im Jahr 1973 aus Altersgründen ab. Zum neuen Kassierer wurde August Ernst gewählt.

Das neu modifizierte Waffengesetz hat derart viele Sicherheitsauflagen, dass wir in Zukunft auf das Königschießen im Weißholz verzichten müssen.

Die alte Fahne, die über 70 Jahre alle Strapazen des Vereinslebens mitgemacht hat, wurde im Jahre 1977 durch eine neue ersetzt. Die neue Fahne wurde nach eigenem Entwurf bei der Firma Filter in Paderborn bestellt und kostete 2.200,-DM.

Erstmalig wurde das Königschießen Samstag durchgeführt. Die abendliche Tanzveranstaltung war wesentlich besser besucht als es an den Sonntagen der Vorjahre der Fall war.

Anlässlich der Fusion der Spar- und Darlehnskasse Großeneder-Lütgeneder mit der Volksbank Borgentreich schenkte die Spar- und Darlehnskasse dem Heimatschutzverein Lütgeneder Land in der Größe von 47 Ar und 12 qm. Diese Landschenkung zwang den Verein, sich als juristische Person beim Amtsgericht Warburg eintragen zu lassen. Für diese Eintragung erstellte der Vorstand eine neue Vereinssatzung. Auf einer außerordentlichen Generalversammlung am 31.10.1978 beschlossen die Mitglieder die neue Satzung. Der Eintragung beim Amtsgericht Warburg, unter dem Namen „Heimatschutzverein Lütgeneder e.V.“, wurde zugestimmt. Dann wählten die Mitglieder den beim Amtsgericht einzutragenden geschäftsführenden Vorstand neu. 

1. Vorsitzender: Alfons Reddemann
2. Vorsitzender: Reinhard Becker
Schriftführer: Heiko Penning
Kassierer: August Ernst

 Dem im vorderen Teil aufgeführten Kassenbericht  aus dem Jahre 1884 soll der Kassenbericht aus dem Jahre 1984 folgen. 

Einnahmen : 
 
Ausgaben :
 
Eintrittsgeld
1.310,00 DM
Musik
6.450,00 DM
Schankpreis
9.050,00 DM
Hallenbenutzung
968,09 DM
Spenden 
1.220,00 DM  
König und Hofstaat
800,00 DM
Beiträge
2.920,00 DM
Rechnung Festwirt
2.920,00 DM
Pachteinnahmen
245,00 DM
Generalversammlung
1.178,00 DM
Sonstige Einnahmen
318,86 DM
GEMA – Gebühren
658,85 DM
 
 
Versicherungen
257,10 DM
 
 
Beitrag Heimatbund
45,00 DM
 
 
Sonstige Ausgaben
2.025,68 DM
Gesamteinnahmen:
15.063,86 DM
Gesamtausgaben:
15.302,72 DM

Das macht ein Verlust von 238,86 DM.

Nach 21.jähriger Tätigkeit als 1. Vorsitzender dankte Alfons Reddemann 1985 aus Altergründen ab. Die Mitglieder wählten ihn zum Ehrenvorsitzenden. Neuer 1. Vorsitzender wurde Reinhard Becker und 2. Vorsitzender Gerhard Reddemann.

Zwecks Neuversicherung wurde 1986 eine Inventur vorgenommen und das Vereinsvermögen mit 30.000,-DM versichert.

Aus gesundheitlichen Gründen trat der Oberst Paul Bode 1987 von seinem Amt zurück, für ihn wählten die Mitglieder den bisherigen Major Josef Winnefeld. Zu dieser Zeit hatte der Verein 182 Mitglieder, das sind 98 % aller männlichen Bürger des Dorfes.

Die Schützengesellschaften sind in Notzeiten zum Schutze der Heimat gegründet worden. In den folgenden Jahrhunderten bewahrten sie die Tradition und Heimatliebe und bemühen sich auch in der heutigen Zeit, heimatliches Gedankengut und ländliche Kultur zu pflegen und an  kommende Generationen weiterzugeben.